Fehlstellungen der Zähne kommen immer häufiger bei unseren Kaninchen vor. Nicht immer werden sie gleich bemerkt und so kann, sofern es sich um ein sehr fortgeschrittenes Stadium zum Zeitpunkt der Diagnose handelt, eine Therapie unmöglich sein und dem Tier daher das Leben kosten.
Kaninchen besitzen, wie auch Hunde und Katzen ein Milchgebiss, welche bis zur 3-5 Lebenswoche komplett gewechselt ist. Das bleibende Gebiss hat 28 Zähne, die über den gesamten Lebenszeitraum des Kaninchens wachsen – bis zu 3mm pro Woche. Damit die Zähne nicht zu lange werden, ist ein ständiger Abrieb durch Futter und durch gegenseitigen Kontakt der Ober- und Unterkieferzähne wichtig. Findet dies nicht statt, entwickeln sich Zahnfehlstellungen, die zu einem großen Problem werden können.
Wie ist sollte die Zähne physiologisch aussehen?
Das Kaninchen besitzt Schneide- und Backenzähne. Die Schneidezähne des Ober- und Unterkiefers (Incisivi) stehen immer in Kontakt – und zwar befinden sich die beiden Unterkieferschneidezähne hinter denen im Oberkiefer. Genauer gesagt liegen sie den Stiftzähnen an. Das sind kleinere Incisivi im Oberkiefer, die direkt hinter den von vorne sichtbaren Schneidezähnen liegen.
Die Schneidezähne dienen, wie der Name bereits erahnen lässt, dem Zerschneiden des Futters und werden auch dadurch in ihrer Länge gehalten. Außerdem kommt es durch den ständigen Kontakt zueinander, durch Reiben oder Knirschen, auch zum Abrieb.
Die Backenzähne im Ober- und Unterkiefer stehen nicht direkt aufeinander, sondern je 1 Backenzahn des Unterkiefers hat mit 2 Backenzähnen im Oberkiefer Kontakt. So kann eine bessere Fläche für das Zermahlen, Zerquetschen und Zerreißen des Futters zur Verfügung gestellt werden. Durch die richtigen Mahlbewegungen reiben sich die Zähne in „Form“.
Die „richtige“ Kaubewegung ist nur durch das Angebot an strukturiertem Futter möglich. Nur Mahlbewegungen, wie bei der Pelletsfütterung, reicht nicht aus, um die Zähne adäquat abzureiben. Bei der kompletten Kaubewegung wird das Kiefer in jede Richtung bewegt. Nach vorne, nach hinten und seitwärts, diese Bewegungen ähneln einer liegenden Acht. Je nach Futterzusammensetzung geschieht die ca 300 – 380 mal in der Minute.
Was geschieht bei falschem Zahnabrieb?
Werden die Zähne nicht oder zu wenig abgerieben, entwickeln sich teils massive Fehlstellungen.
Dies führt im Bereich der Schneidezähne zum „Einbiss“ in die Lippen oder den Gaumen.
Bei den Backenzähnen sind Fehlstellung noch deutlich dramatischer. Sind der Abrieb und das Wachstum nicht ausgleichend, verlängern sich die Zähne (da diese ja lebenslang wachsen). Dies führt zu einem zu Beginn leichten – in fortgeschrittenen Fällen deutlichem- Öffnen der Kiefer. Um einer „Daueröffnung“ des Maules entgegenzuwirken, wird die Kaumuskulatur angespannt. Das wiederum führt dazu, dass die Zähne tiefer in den Kieferknochen gepresst werden.
Im Oberkiefer werden die Zähne dann in Richtung Auge gedrückt, was mitunter zum Verlust des Auges führen kann. Im Unterkiefer kann es durch den Druck in den Knochen zum Durchbruch des Kieferknochens und zur Abszessbildung kommen. Da auch viele Nerven im Unterkieferknochen laufen, welche dann von den Zähnen gereizt werden, ist dieser Prozess sehr schmerzhaft.
Durch die immer weiter fortschreitende Schiefstellung der Backenzähe zueinander, kommt es zur Ausbildung von Zahnspitzen. Diese bilden sich am Rand der Zähne, wo noch „Raum“ für Zahnmaterial ist. Im Oberkiefer wachsen die Spitzen vor allem in Richtung Backe und im Unterkiefer vor allem in Richtung Zunge – hier kann es sogar zur Bildung sogenannter „Brücken“ kommen. Also eine Verbindung der Zähne beider Seiten über der Zunge. So wird die Zunge daran gehindert, den Futterbrei nach hinten zu schieben, was zum langsamen und schrittweisen Abmagern der Tiere führt.
Wie entstehen Zahnfehlstellungen?
Die Entstehung von Fehlstellung an den Zähnen kann verschiedene Ursachen haben.
- Genetische Faktoren
Zahnfehlstellung können an nachkommende Generationen vererbt werden. Dies ist vor allem im Bereich der Schneidezähne der Fall. Daher sollten Tier, die dieses Problem aufweisen, nicht zur Zucht eingesetzt werden.
- Trauma
Durch Stürze vom Arm kann es zu Brüchen (Frakturen) einzelner Zähne kommen. Da es nachfolgend zu Entzündungen und Infektionen in der Zahnpulpa kommt, wird kommt es so zum falschen Wachstum.
- Iatrogen bedingt
Durch das falsche Kürzen der Zähne durch den Tierarzt kann es zu Brüchen und nachfolgend zum falschen Wachstum kommen. Die Zähne dürfen niemals „geknipst“ werden, da so Zahnfrakturen entstehen! - Fütterungsbedingt
Nicht ausreichend strukturiertes Futter führt zu einer verkürzten Kautätigkeit und so zu vermindertem Abrieb der Zähne. Weiters führen Mängel an bestimmten Mineralstoffen und Vitaminen durch Umbauprozesse im Körper zu Fehlstellungen im Knochen und an den Zähnen.
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Wie kann ich Fehlstellungen erkennen?
Zahnfehlstellung als solche sind nicht immer einfach zu erkennen, da Kaninchen sich meistens nicht gerne in das Maul schauen lassen. Dennoch gibt es einige Anzeichen, auf die geachtet werden sollten:
- Gewichtsverlust
- Fressunlust
- Maulgeruch und Speicheln
- Schwellungen am Kiefer
- Augenprobleme
- Nasenausfluss
Wie erfolgt die Behandlung?
Werden Fehlstellung an den Zähnen rechtzeitig erkannt, können diese korrigiert werden. Wichtig hierfür ist eine genaue Untersuchung in Sedierung. Es müssen mehrere Röntgenbilder in verschiedenen Richtungen vom Kopf angefertigt werden, um die Zahnwurzeln beurteilen zu können. Je nach Status und Fortschritt der Fehlstellung, werden entweder nur Zahnspitzen korrigiert oder Zähne komplett gezogen.
Wenn die Zähne bereits das Kiefer durchbrochen haben oder tief in die Augenhöhle reichen, ist eine Behandlung meist sehr aufwändig und im Oberkiefer häufig mit dem Verlust des Auges verbunden. Daher sind regelmäßige Kontrollen und bei Bedarf engmaschige Korrekturen wichtig.
Wie kann ich dem Vorbeugen?
Um massiven Fehlstellung vorzubeugen, ist es wichtig, das richtige Futter anzubieten. Pellets und Körner sollten gemieden werden. Viel Struktur ist gefragt – Heu und frisches Grünfutter, Kräuter und Gemüse sind hier die beste Wahl, um ein ausreichend langes Kauen zu provozieren.
Sind bereits Probleme bekannt, sollten diese regelmäßig und richtig behandelt werden, um eine Verschlimmerung und ein Fortschreiten zu verlangsamen.